Festivalbericht: Ruhrpott Rodeo On The Road 2023 in Hannover - AWAY FROM LIFE (2024)

Ja, das ist immer so eine Sache mit dem Hund und dem Knochen. In der Regel ist es ja so, dass wir alljährlich die Äcker der Welt bereisen, um diversen Festivitäten beizuwohnen.
Festivals wie zum Beispiel die Vans Warped Tour zeigten allerdings bereits Mitte der 90er, dass es auch anders herum geht und seit diesen Tagen haben sich immer mal wieder feine Festivaltouren durch unsere Landstriche gezogen. Manches waren Eintagsfliegen, manche schauen immer mal wieder vorbei und wieder andere werden frisch aus der Taufe gehoben. Zu letzteren zählt auch das Ruhrpott Rodeo On The Road, welches in diesem Jahr erstmalig stattfindet und neben fünf weiteren Städten auch in Hannover halt gemacht hat.
Die Tour begleiten als feste Acts die Bands Wizo, Dritte Wahl und Slime. Je nach Austragungsort sind dann noch ZSK, Betontod, The Dead End Kids, Heckspoiler, Berlin Blackouts und Knochenfabrik mit dabei.
In Hannover konnte man sich neben den erstgenannten noch auf ZSK, Betontod, Knochenfabrik und als lokale Vertreter die Band Tough Luck freuen.

Diese legten auch pünktlich um 14:30 los, allerdings habe ich außer dem Soundcheck von ihnen leider nichts mitbekommen, denn zu dieser Zeit musste im angrenzenden Biergarten erst einmal der Flüssigkeitshaushalt auf einen passenden Pegelstand gebracht werden. Denn die Sonne brannte ohne Unterlass, was manche Personen auch noch zu spüren bekommen sollten. Somit haben wir uns erst einmal im Schatten akklimatisiert, um dann gut gewappnet und pünktlich Claus Lüer und seine Knochenfabrik begrüßen zu können.

Nicht nur für mich schienen die Kölner ein echtes Highlight des Tages zu sein, denn vor dem ersten Wellenbrecher wurde es von Lied zu Lied immer voller und so vergrößerte sich der Chor immer weiter, bis er dann die passende Größe für den abschließenden Höhepunkt Filmriss erreicht hatte. Neben diversen Hits wurden nebenbei aber auch noch Knochenfabrik typische Schmankerl zum Besten gegebenen. Von sinnentleerten Unterhaltungen bis hin zu Bierkunststücken. Knochenfabrik zeigten einfach, was sie zu dem macht was sie sind.

Dennoch gab es einen kleinen Wermutstropfen und das war neben den Getränkepreisen, welche ich erst jetzt erkannte, der Sound. Dieser war anfänglich nämlich leider nicht so prall und vor allem zu leise. Mir schwante schön böses, denn dieses Problem war auch ein Grund für mich, weshalb die letztjährige Punk in Drublic Ausgabe an selbiger Stelle ein echter Reinfall war. Klar kann ich es verstehen, da das Festival mitten in einem Wohngebiet liegt, dennoch wünsche ich mir für ein Festival schon ordentlich Phon vor der Bühne.

Der Wermutstropfen wurden mit dem Auftritt von ZSK allerdings weiter verwässert, denn der Klang wurde besser und meine anfänglichen Sorgen waren vergessen. ZSK fegten dann auch in der für sie typischen Art und Weise los. Energiegeladen wie Duracell-Hasen legten sie los und untermalten dieses mit einem feinen Potpourri ihres Repertoires. Von Herz für die Sache über Keine Angst und Die Kids sind okay bis hin zu HassLiebe war eigentlich aus jeder Zeit ihres Schaffens etwas dabei. Für mich persönlich hätten es noch mehr Lieder aus ihrer Anfangszeit sein können. So hätte ich mich tierisch über Riot Radio gefreut, aber eine Vielzahl der Besucherinnen und Besucher feierten die Setlist ab und so schaute ich links und rechts von mir in viele zufriedene Gesichter. Neben dem musikalischen muss ich auch nochmal die Animationskünste von Joshi hervorheben. Mit diversen Einlagen wie z.B. dem Twister-Circle-Pit und verschiedenen publiku*msnahen Aktionen könnte er wohl auch den verrenteten Freundeskreis der Steuerberater zum abgehen animieren.

Eine Sache muss ich an dieser Stelle aber noch einmal kurz zur Diskussion stellen. Klar ist es schön gemeinsam „alerta, alerta, antifascista“ zu rufen und es stärkt auch ungemein das Gemeinschaftsgefühl, dennoch schaue ich mich bei solchen Sprechchören immer etwas fragend um und frage mich, wie viele der mitgrölenden Gemeinde tatsächlich einschreiten, wenn verbaler wie auch physischer Rassismus eintritt. Wie viele der Leute sprechen tatsächlich ihren Vater oder Onkel am Tresen der Silberhochzeit an, dieses rassistische Verhalten in Frage zu stellen? Von Situation in Bus und Bahn mal ganz abgesehen. Abschließend sei dazu auch noch kurz erwähnt, dass bei der derzeitigen Lage in diesem Land Sprechchöre wie Ganz Deutschland hasst die AfD einem echt im Halse steckenbleiben können und vielleicht auch sollten. Das aber nur am Rande.

Nach ZSK nutzten wir die Umbaupause erst einmal, um das Gelände etwas zu erkunden. Essen, Merch, Getränke, für alles war gesorgt und alles war auch reichhaltig vorhanden, wobei es laut der Schlange vor den Toiletten wohl einige mehr von ihnen hätte geben können.
Bei der Runde übers Gelände fiel auch auf, dass wir manche Kolleginnen und Kollegen bereits verloren hatten. Links und rechts der Bauzäune konnte man immer wieder Leute entdecken, die die heikle Mischung von Sonne und Bier wohl falsch dosiert hatten und ein paar weitere waren noch auf dem besten Wege sich zu ihnen zu gesellen.

Ob wir uns auch zu ihnen gesellen sollten, wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Was wir wussten war aber, dass gleich Slime anfangen würden und so begaben wir uns erst einmal auf den Weg zu unserem angestammten Platz und der naheliegenden Getränkestation. Dort angekommen verfiel ich in einen kurzen Smalltalk mit zwei Standnachbarn, an dessen Ende wir feststellen mussten, dass wir alte Weggefährten sind, die sich seit gut zwanzig Jahren nicht mehr gesehen haben. So wurde aus dem Smalltalk eine mehr als herzliche Unterhaltung über frühere Zeiten und dem obligatorischen Fragen, mit wem man von damals noch kontakt hat und wer sich wie verändert hat. Eine Begegnung, an die ich noch lange zurückdenken werde und hoffentlich gehen nicht wieder zwanzig Jahre ins Land, bis man sich wiedersieht.

Nach dieser Begegnung war für mich die Zeit reif, dem Pit mal einen Besuch abzustatten. Dieser wurde bereits von Slime ordentlich befeuert. Es war auch das erste Mal, dass ich Slime zusammen mit Tex sah und ich finde weiterhin, dass er eine echte Bereicherung für die Band darstellt. Nicht nur, dass das Songwriting der Band mit Songs wie Weil fickt euch alle und Sein wie die wieder an Qualität dazugewonnen hat, sondern auch weil er die Klassiker wie Alptraum, Alle gegen Alle und meinen Liebling Schweineherbst wieder neue Energie einflößt. Unheimlich starke Setlist, geiler Sound und eine top Stimmung im Pit, welcher auch bereits vorweg von Joshi gelobt wurde. Ich war und bin einfach voll des Lobes.

Den Lobpegel muss ich nun allerdings etwas runterdrehen, denn mit Dritte Wahl betraten zwar alte Helden von mir die Bühne, dennoch war es eher so, als wenn es nur noch Schatten eben dieser waren. Klar, musikalisch haben sie, seit ich sie Mitte der 90er das erste Mal live gesehen habe, ordentlich was drauf gepackt und das bewiesen sie hier auch wieder. Dennoch vermisste ich etwas die Energie, die ich an ihnen immer so geliebt habe. Auch ließen sie eine gewisse Kante vermissen, was ihnen auch immer das bisschen mehr an Härte beschert hat. Ein Grund dafür war auch sicherlich die Setlist, die mehr mit neueren Songs, als mit Klassikern aufwartete. Selbst ein Klassiker wie Mainzer Straße fehlte leider. Anstatt also im Pogo zu versinken, schaute ich auf ein Publikum, welches sich bei Liedern wie Zeit bleib stehen oder Fliegen im Hymnengesang verlor. Aber gut, vielleicht ist es auch das was viele mittlerweile wollen. Ich bin da anscheinend etwas gestrig.

Mit meiner voran gegangenen Vermutung scheine ich wohl wirklich recht zu haben, denn der Auftritt von Betontod bestätigte dies für mich. Allerdings habe ich hier nicht ganz soviel Diskussionsgrundlage wie bei Dritte Wahl, denn an Betontod kam ich noch nie ran. Irgendwie waren die für mich nie Punk. Sie waberten irgendwo in der Nähe rum, aber ich habe sie nie als Teil der Szene wahrnehmen können. Viele schienen das allerdings anders zu sehen und so wurde die Band von vielen ordentlich abgefeiert, während ich die geniale Faust-Pizza von Günes genoss.

Den Abschluss dieses wunderschönen Tages bescherte uns Wizo. Nachdem das Bühnenbild entsprechen gerichtet war, ging es auch direkt so richtig los. Nichts mit warm machen oder dergleichen, denn mit Hey Thomas, Raum der Zeit und Kein Gerede sind alle direkt zu Beginn voll gefordert. Was sollte nach diesem Start noch kommen? Ich kann euch sagen, da kam noch eine Menge, nämlich eine nahezu perfekte Mischung aus altem und neuem Material.
Ebenso perfekt endete dann nach den letzten Klängen von Wizo auch der Tag, nämlich mit netten Menschen und Bier an der Parkbank.

Liebes Orga-Team: Bitte führt die Festivaltour mit einer weiteren Ausgabe fort.

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– Playlist: Happy Release Day
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